Stadtscheune

Claudia Schuller

Donnerstags in Velden: Gemeinsam statt einsam. Seit Ende Juli tut sich Neues in der alten Scheune in der Veldener Ortsmitte. Drei Mal monatlich kommen in dem historischen Gebäude, das umgebaut, restauriert und im April dieses Jahres eingeweiht wurde, Menschen zusammen.

Etwa 23 bis 55 Interessierte strömen jeweils donnerstags herbei, verbringen eine schöne Zeit miteinander und lassen es sich zwei Stunden lang einfach gut gehen. Die Altersspanne der Teilnehmer ist groß und reicht von 60 bis zu 96 Jahren, also über mehrere Generationen. Bisher gab es schon Aktivitäten wie Wortspiele, Gedächtnistraining, leichte Gymnastik zur Musik, Tanz, Stuhl-Yoga, Brettspiele oder Mandala-Malen. 

Ehrenamtliche Programmgestalterin

Hinter dem Projekt steht Sieglinde Nikolaus (62). Ehrenamtlich stellt sie all das auf die Beine, gestaltet das Programm des Treffens, bäckt Kuchen - zum Beispiel Zwiebel-Quiche für ein Herbstfest - baut auf und vieles mehr. Sie ist es, die sich die Fragen für ein Quiz zur Geschichte von Velden überlegt oder zu biographischen Gesprächen über das Leben der Gäste anregt. Hilfe erhält sie dabei von ihrem Mann, der schon mal Getränke ausschenkt, vom Musikverein, der Saft und Wasser besorgt, sowie von der Stadt, die den Kaffee spendet und vor allem den Raum in perfekt zentraler Lage gratis zur Verfügung stellt. „Dadurch kostet die Teilnahme nichts, das ist mir wichtig, damit wirklich alle dabei sein können“, erklärt Sieglinde Nikolaus. Weder Eintrittsgebühr noch Mitgliedsbeitrag fallen an, man bezahlt nur, was man getrunken hat. Dafür erlebt man Geselligkeit pur, Austausch und Anregung. 

Nikolaus bereitet eine „Aktivierung“ vor, die etwa 30 bis 45 Minuten dauert und von Bewegung bis Besinnlichkeit reichen kann, dann sitzen alle gemütlich zusammen und plaudern. Ein echter Kaffeeklatsch oder Tee-Umtrunk. Was ist die Motivation der umtriebigen 62-Jährigen, so etwas praktisch im Alleingang auf die Beine zu stellen? „Ich liebe einfach Menschen, mache gerne etwas mit anderen zusammen und bin ein geselliger Typ“, drückt es Sieglinde Nikolaus bescheiden aus. Früher tat sie das im kirchlichen Rahmen ihrer Gemeinde. Dann zog sie vor etwa drei Jahren aus dem Nordschwarzwald mit ihrem Mann nach Velden - nach einer Zwischenstation in Pottenstein. Gut für die Stadt, denn seither schwebte ihr schon vor, sich hier zu engagieren: „Ich fühle mich in Velden sehr wohl und bin richtig angekommen. Da ist es schön, auch etwas zurückzugeben“. 

Eine wichtige Motivation neben ihrem Herzensanliegen, Menschen zusammenzubringen, war auch die Diskussion um das Thema Einsamkeit, gerade im Alter. Hier möchte Nikolaus etwas tun, und zwar rechtzeitig, damit möglichst niemand alleine zurückbleibt. „Hier auf dem Land kennen die Menschen sich zwar noch viel mehr als in der Stadt und es gibt gewachsene Netzwerke, zum Beispiel Nachbarn, die für jemanden einkaufen. Was aber im Alltag manchmal fehlt, sind Gespräche. Zuhören ist sehr wichtig“, resümiert Nikolaus. 

Und gerade darin liegt eine ihrer Stärken, die sie für ihr Ehrenamt mitbringt: Sie hat stets ein offenes Ohr und ein weites Herz. So animiert sie Menschen, von sich zu erzählen, greift aber auch Stimmungen in der Gruppe geschickt auf und versucht dann, Wünsche oder Vorlieben der Beteiligten umzusetzen - vom Kartenspiel bis zur Bastelei. Ihr Wissen bezieht sie aus Kursen, die sie besucht hat, aber auch aus langjährigen Erfahrungen in der Betreuung von Gruppen. 

Alle ab 55 bis 99

Und wer nimmt so teil an den Scheunen-Treffs? „Das sind nicht nur Ältere, unsere Leute sind echt fit, auch diejenigen, die mit dem Rollator kommen“, betont Nikolaus. Deshalb heißt die Veranstaltung auch bewusst nicht „Senioren-Nachmittag“ oder dergleichen, denn angesprochen sind alle ab 55 bis 99, die Zeit und Lust haben. Was die Übungen angeht, sieht die Organisatorin sie mehr vorbeugend. „Zum Beispiel dreht sich das Gedächtnistraining nicht darum, dass jemand Demenz hätte, sondern darum, das Gehirn zu schulen und vorzusorgen, damit es nicht soweit kommt. Genauso wie man Sport treibt, um gesund zu bleiben“, erläutert sie. Eben gerade, weil Einsamkeit in jedem Alter belastend sein kann.

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Hier greift der Bürgermeister Herbert Seitz selbst in die Tasten (Foto: Sieglinde Nikolaus)

Das Ergebnis ihres Konzepts kann sich sehen lassen: Inzwischen hat sich, unterstützt durch Mundpropaganda und Werbung, ein stabiler Kern entwickelt, der jedes Mal mitmacht, eine harmonische Gruppe, die Wärme verströmt. Kein Wunder, dass auch Bürgermeister Herbert Seitz begeistert ist und nicht nur gerne die Scheune dafür öffnete, sondern das Projekt auch als Schirmherr unterstützt. Er besuchte auch das erste Treffen persönlich und machte Musik. So kann es weitergehen.