Bahn-Drama im Pegnitztal
Die Strecke nach Nürnberg soll noch bis Mitte 2026 gesperrt bleiben.
Seit dem 19. September 2025 hängen Pendler buchstäblich in der Luft: Die Bahn hatte die Strecke zwischen Hersbruck und Pegnitz kurzfristig gesperrt. Ein Hammer für Menschen, die zum Beispiel täglich damit zur Arbeit fahren. Grund für die Maßnahme sind starke Schäden an mehreren Pegnitzbrücken. Wie sich herausstellte, müssen alle 23 Brücken zwischen Hersbruck und Pegnitz ersetzt werden. Nun, das ist soweit normal, Bauwerke altern. Natürlich geht die Sicherheit vor, gerade im Schienenverkehr. Aber warum kann dergleichen nicht rechtzeitig in Angriff genommen werden? So schwere Schäden entstehen ja nicht über Nacht?

Die Haltestelle für den Ersatzverkehr wurde vom Veldener Bahnhof in die Nürnberger Straße verlegt (Foto: Sonja Weber)
Die Bahn erklärt es so: Die Planungen in dem Gebiet seien tatsächlich bereits vor über 15 Jahren von der DB angestoßen worden, um eine vollständige Erneuerung bis Ende 2016 sicherzustellen. Allerdings sei es „leider zu erheblichen Verzögerungen gekommen, und zwar wegen der unzureichenden finanziellen Ausstattung der damaligen DB Netz AG durch den Bund“. Es habe keine herkömmliche Bundesfinanzierung für den Erhalt der Infrastruktur gegeben. Hinzugekommen seien noch Belange des Denkmalschutzes. Daher habe die DB damals „zu Gunsten des Denkmalschutzes im Planfeststellungsverfahren kein Baurecht erhalten“. Manch ein Betroffener mag es wenig zielführend finden und sich ärgern, wenn die Bahn darauf verweist, dass „trotz der besonderen Auflagen des Denkmalschutzes, der speziellen Topographie und diverser Naturschutzgebiete im Pegnitztal bisher bereits fünf der Brücken erneuert werden konnten“. Es stehen immer noch 18 aus, eine Menge. Und die Züge fahren nicht, man behilft sich mit Ersatzbussen.
Die Entwicklung lief laut Bahn so: Um die Sicherheit zu gewährleisten, seien in den vergangenen Jahren engmaschige, nämlich vierteljährliche Untersuchungen festgelegt und technische Monitoring-Systeme zur Echtzeitüberwachung an den Brücken eingebaut worden. Gleichzeitig liefen die Planungen zur Erneuerung der anderen Brücken weiter. Die Arbeiten befänden sich in der Phase der Entwurfsplanung. „Aktuell reichen wir die Planfeststellungsanträge schrittweise aufgrund der Menge der Maßnahmen beim Eisenbahnbundesamt ein“, erläutert eine Bahn-Sprecherin.
Warum so plötzlich?
Und warum solche Hau-Ruck-Aktionen? War die plötzliche Kappung des Bahnverkehrs mangelnde Kommunikation? Am 18. September 2025 ging eine Pressemitteilung heraus mit der nervenaufreibenden Überschrift „Ab morgen kein Zugverkehr zwischen Hersbruck (rechts der Pegnitz) und Pegnitz“. Die Sprecherin beantwortet diese Frage, die vielen auf den Nägeln brennt, so: „Die im Zuge der geplanten Erneuerungsmaßnahmen erforderlichen Detailuntersuchungen von Brückenwiderlagern, Fundamenten und Untergrundbeschaffenheit durch spezialisierte Ingenieurbüros zeigten zuletzt Unregelmäßigkeiten, die eine kurzfristige Streckensperrung seitens der DB InfraGO erforderten“.
Trotzdem: Warum nicht einen Monat oder wenigstens ein Woche vorher ankündigen? Zu denjenigen, die das gerne wüssten, gehört auch Bürgermeister Herbert Seitz: „Die Strecke wurde wirklich unangekündigt von Seiten der Bahn gesperrt, das war und ist ein großes Ärgernis“, betont er. Er verstehe nicht, weshalb man ihn nicht vorwarnen konnte, um Zeit zu haben, sich vorzubereiten. Der Rathauschef blickt auf die Ereignisse zurück und fasst zusammen: Natürlich war klar, dass die Brücken marode sind und ihre Widerlager nachgeben könnten. Das wurde auch schon 2011 von Fachleuten mitgeteilt. Doch dann begann das Chaos. 2012 schaltete sich der Denkmalschutz ein, eine Bürgerinitiative forderte den Erhalt der alten Brücken. Nun war die Frage: Sind die Überführungen zu retten? Seitdem ging es hin und her. Es wurden teure Gutachten erstellt, die ergaben, dass der verwendete Flussstahl sein Ende erreicht hat und etwas Neues her muss. Der Auftrag zu einer vorübergehenden Sicherung wurde vergeben.
Durchhalten mindestens bis zum Sommer 2026
Eigentlich war geplant, die Strecke im Februar 2026 wieder zu öffnen, wenn die Sicherung abgeschossen sein sollte. Bahnkunden sahen schon ein Ende des Hindernisses in Sicht. Licht am Ende des Tunnels. Doch daraus wird leider nichts. Es heißt wohl warten und durchhalten bis mindestens zum nächsten Sommer. Die Aufgabe habe sich als technisch komplexer erwiesen als erwartet, teilte die Bahn am 5. November 2025 mit: „Erste Arbeiten an der Brücke bei Velden zeigen, dass die Instandsetzung aufgrund der geologischen Gegebenheiten deutlich aufwendiger ist. Auf Basis dieser Erfahrungswerte ist davon auszugehen, dass die Instandsetzungsarbeiten für die betroffenen 18 Brücken, die sich alle hinsichtlich ihrer Konstruktion ähneln, voraussichtlich bis Mitte nächsten Jahres dauern werden“, so die Pressestelle der Bahn.
Man versuche, zur Entlastung wenigstens die gesperrte Strecke zu kürzen, verspricht eine Sprecherin. Künftig sollen die Fahrgäste nur noch zwischen Hersbruck und Neuhaus auf Busse umsteigen müssen. Wann das beginnt, ist allerdings unklar. Aktuell läuft der Ersatzverkehr weiter. Über 60 Busse sind im Einsatz, um die Züge zwischen Hersbruck und Pegnitz zu ersetzen. Die Züge der RE-Linien 30, 31, 32 und 38 enden von Norden kommend in Pegnitz, von wo aus stündlich Busse alle Unterwegshalte über Neuhaus nach Hersbruck bedienen. Zusätzlich gibt es stündliche Direktbusse auf den Verbindungen Bayreuth – Nürnberg, Pegnitz – Nürnberg und Neuhaus – Nürnberg. Zwischen Hersbruck und Nürnberg verkehren auf der rechten Pegnitzstrecke die Züge der RE-Linien 40/41 und die RB-Züge der Mittelfrankenbahn, auf der linken Strecke die S-Bahn Nürnberg. Seit dem 13. Oktober 2025 sind zudem wieder durchgängige Fahrten zwischen Nürnberg, Marktredwitz und Hof möglich, die die gesperrte Strecke umgehen und über Weiden und Marktredwitz fahren.
Brückenerneuerung und Elektrifizierung
Indes ist die DB InfraGO auch nicht zu beneiden. Sie steht ebenso wie der Bund unter erheblichem Druck. Natürlich geht es dabei um die Finanzierung. Die parteiübergreifende Forderung von Politikern aus ganz Oberfranken, vom Bayreuther Bürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) bis zum Bayreuther Landrat Florian Wiedemann (FW), von der Hofer Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) bis zum Hersbrucker Bürgermeister Robert Ilg (FW): Der Bund soll die Kosten für die Elektrik übernehmen. Die Strategie des Bahnunternehmens besteht nämlich darin, die notwendige Erneuerung gleich mit der Elektrifizierung des Abschnitts Nürnberg bis oberes Pegnitztal zu koppeln. Das sei eine historisch einmalige Gelegenheit, so die lokale Politik. Diese Synergien müssten unbedingt genutzt werden. Geschehe das nicht, stehe die Glaubwürdigkeit des Staates auf dem Spiel. Dem schließt sich auch Herbert Seitz (SPD) aus Veldener Sicht an. Eine Sache der Logik, findet er. Außer solchen Zusammenschlüssen und gemeinsamen Initiativen auf Polit-Ebene können Gemeinden wenig ausrichten, ihr Handlungsspielraum in Sachen Bahn ist sehr begrenzt. Im Verkehrsministerium liegen also derzeit Unterlagen und Anträge zur Entscheidung, die für Franken eine große Bedeutung haben. Bayerns Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) ist ebenfalls nicht zufrieden und spricht von einem Scheitern mit Ansage: „Wäre nach Abschluss der Vorplanungen zügig weitergeplant worden, stünden wir heute ganz anders da.“ So wandert der schwarze Peter also von Bayern nach Berlin. Der Vorsitzende des Fahrgast-Verbandes „Pro Bahn“, Lukas Iffländer, sieht die Schuld an dem Trauerspiel im Pegnitztal bei den Bundesregierungen der letzten Jahre - und zwar bei allen seit der Wiedervereinigung. So lange schon sei die „Franken-Sachsen-Magistrale“ im Bundesverkehrswegeplan, aber passiert sei nichts. „Wenn ständig droht, dass in fünf Jahren vielleicht neu gebaut wird, ist es verständlich, dass eine Deutsche Bahn keine Großinvestition in neue Brücken tätigt, die gegebenenfalls dann gleich wieder wegen Elektrifizierung abgerissen werden müssen. Verkehrswegeplanung muss verlässlicher werden“, fordert Iffländer.
Derweil fahren die Schulkinder weiter mit den Ersatzbussen zum Unterricht - wenigstens sind es jetzt genug Fahrzeuge, dass alle hineinpassen und transportiert werden können. Am Anfang war das noch nicht gegeben.
Für Beschwerden
https://www.bahn.de/service/informationen-buchung/fahrgastrechte